In seiner Rede beim traditionellen Johannisempfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin am 27. Juni sprach der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm über „Menschenbilder im digitalen Zeitalter“ und plädierte dafür, dem Digitalisierungsdiskurs mit „Realismus und Augenmaß“ zu begegnen.

Dabei ging es zunächst um die Macht, die große Konzerne wie Facebook auf ihre Nutzer ausübten – indem sie mit ihrer Datenauswertung schon ein genaueres Bild dessen Persönlichkeit zeichnen könnten als Nahestehende. „Hinter unserem Rücken, ungefragt und unsichtbar, werden wir analysiert und kategorisiert und dann spezifischer Werbung oder gezielter politischer Agitation ausgesetzt, ohne es zu ahnen“, so Bedford-Strohm. Seiner Auffassung nach sei es die entscheidende politische Aufgabe der Zukunft, diese Macht zu begrenzen, um „uns wieder mehr Souveränität über unsere eigenen Daten zu geben“.

Nötig sind laut Bedford-Strohm „international abgestimmten Transparenz- und Regierungsvorgaben“

Laut EKD-Ratsvorsitzendem fehlt es derzeit „noch an wirkungsvollen international abgestimmten Transparenz- und Regierungsvorgaben, um diese gewaltige globale Marktmacht zu begrenzen“. Das Handlungspektrum reiche hier von Zerschlagung großer Konzerne bis hin zur Durchsetzung werbefreier Bezahlmodelle. Denn schließlich ginge es um nichts weniger als „die Rückeroberung eines sozialen Raums, in dem Menschen unter Bedingungen massiver Intransparenz und auf Basis eines Regelwerks ohne soziale Kontrolle täglich viel Lebenszeit verbringen“.

Digitalisierung ist „mit quasi religiösen Erwartungen verbunden“

Auch wenn die Digitalisierung auf der einen Seite zu einer Art Heilsversprechen mit beispielsweise besserer medizinischer Versorgung stilisiert werde, warnt Bedford-Strohm davor, sich nur allein auf den Algorithmus zu verlassen, der versucht, das Innerste eines Menschen aufgrund unklarer Datenlage zu interpretieren und sich so ein mitunter falsches Bild von ihm macht. Die Digitalisierung sei „mit quasi religiösen Erwartungen verbunden“ und verspreche „Glück, Unsterblichkeit und Gottähnlichkeit“.

Der Mensch hat die Verantwortung für die Algorithmen

Man müsse jedoch kein Theologieprofessor sein, um zu erkennen, dass diese schon die Verheißung der Schlange beim Sündenfall gewesen sei: „Ihr werdet sein wie Gott“. Gleichzeitig könne sich der Mensch aber auch nicht aus seiner Verantwortung in der Digitalisierung herausreden, sondern sich dieser stellen – „für die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer, die Gott geschaffen und ihm zur Fürsorge anvertraut hat, ebenso wie für die Algorithmen der Gegenwart, die der Mensch selbst erdacht hat.“

Was zählt, ist nicht die Datenmenge, sondern die Tiefe der Beziehung

Bei allen Risiken und Herausforderungen des digitalen Wandels fasst Bedford-Strohm schlussendlich aber zusammen, dass die Chancen, die blieben, „erheblich“ sind. „In einer nüchternen Relexion der Nutzendimensionen, die sich gleichzeitig der Gefahren und Risiken bewusst ist, liegt der Schlüssel für eine menschenfreundliche Gestaltung des digitalen Wandels.“ Die Welt lasse sich gemeinsam besser machen, und zwar auf Grundlage klarer demokratisch vereinbarter Regeln.

Dabei dürfe man nicht „falschen Internetgöttern“ wie etwa Google auf den Leim gehen: „Denn trotz aller Digitalisierung, trotz aller Algorithmen und Künstlicher Intelligenz – Gott kennt mich besser als ich mich selbst kenne, weil das am Ende nicht an einer Datenmenge hängt […], sondern an der Tiefe der Beziehung, die durch Liebe wächst“.

Quelle: Nordkirche.de / Dr. Lena Modrow

Bildquellen